INDIKATIONEN
Tiefe Hirnstimulation bei Morbus Parkinson
Die Parkinson-Erkrankung (Morbus Parkinson, engl. Parkinson’s disease, PD) ist die häufigste, neurodegenerative Bewegungsstörung. Sie ist durch eine fortschreitende Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinesie) gekennzeichnet, des Weiteren durch Muskelsteifigkeit (Rigor), Muskelzittern (Tremor) und posturale Instabilität. Diese Symptome resultieren aus dem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen in der Substantia nigra, die den Botenstoff Dopamin produzieren.
Zu Beginn der Erkrankung lassen sich die Symptome der Parkinson-Krankheit meist gut und wirksam durch Medikamente lindern. Zu den typischer Weise angewandten Arzneistoffen gehören neben L-Dopa (einer Vorläufersubstanz des Dopamins) die sogenannten Dopamin-Agonisten. Während beide Substanzgruppen zunächst gut wirken, kommt es bei Parkinson-Kranken nach einem Zeitraum von einigen Jahren häufig zu typischen Therapiekomplikationen. Sogenannte Wirkfluktuationen bedingen starke Schwankungen der Beweglichkeit im Tagesablauf trotz korrekter Medikamenteneinnahme. Patienten berichten dann über Phasen der Unterbeweglichkeit (OFF-Phasen), z.T. mit schmerzhaften Muskelverkrampfungen und Verlangsamung sowie Intervalle mit „Überbeweglichkeit“ gekennzeichnet durch unwillkürliche Bewegungen. In diesem Fall stellt die Tiefe Hirnstimulation (THS) bei Parkinson eine wirksame Behandlungsoption dar.
Bevor über eine mögliche THS-Operation entscheiden wird, muss ärztlicherseits geprüft werden, ob tatsächlich eine typische (idiopathische) Parkinson-Erkrankung vorliegt. Dazu können eine klinisch-neurologische Untersuchung sowie weitere bildgebende Verfahren (z.B. DaT-Scan) erforderlich sein. Zudem sollten alternative Medikamentöse Therapieoptionen überprüft werden. Sofern die Diagnose eines IPS korrekt gestellt wurde, kommt die THS prinzipiell bei Vorliegen folgender Kriterien in Frage (Tab. 1):
- Med. nicht ausreichend behandelbare ON/OFF-Fluktuationen (Wirkfluktuationen) einschl. der Komplikationen (ON/OFF-Dystonien und -dyskinesien)
ODER
- Med. nicht ausreichend behandelbarer (Ruhe)-Tremor
ODER
- Signifikante Nebenwirkungen der Medikation (z.B. Impulskontrollstörungen)
ODER
Prinzipiell gilt: Das Ansprechen der Symptomatik auf L-Dopa ist der beste Prädiktor für den THS-Erfolg. Symptome, die auf die L-Dopa-Therapie nichtansprechen, werden auch durch die THS –Therapie nicht gebessert (Ausnahme: Tremor). Ein guter Richtwert ist folgende Überlegung: die THS ermöglicht in der Regel eine dauerhafte Beweglichkeit, die dem besten medikamentös erreichbarem Zustand entspricht, jedoch ohne Wirkschwankungen. Um die Wirksamkeit von L-Dopa einzuschätzen wird häufig ein standardisierter Test durchgeführt, der sog. UPDRS (engl. Unified Parkinson’s Disease Rating Scale).
Eine Altersbeschränkung im engeren Sinn gibt es nicht. Bei Patienten, die das 75. Lebensjahr überschritten haben, müssen Chancen und Risiken der Operation sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Für Patienten < 60 Jahre kann die THS bereits innerhalb der ersten 3 Jahre nach Beginn der Wirkfluktuationen angeboten werden, wenn die Symptome eindeutig auf L-Dopa ansprechen. Darüber hinaus ist – insbesondere bei jüngeren Patienten < 60 Jahre – die Lebensqualität entscheidend für die Indikationsstellung. Dazu wird üblicherweise ein weiteres standardisiertes Testverfahren angewandt, der sog. PDQ-39 (engl. Parkinson’s Disease Questionnaire 39). Ab einem bestimmten PDQ-39 Summenscore zeigt der Test für die THS eine positive Wirksamkeit an. Vereinfach ausgedrückt bedeutet dies, dass eine THS an ein Mindestmaß an eingeschränkter Lebensqualität gebunden ist bzw. dann auch frühzeitig angewandt werden sollte, wenn neben den o.g. Aspekte (Tab. 1) eine relevante Einschränkung der Lebensqualität vorliegt.
Bei Erkrankungen, die dem Morbus Parkinson vom Erscheinungsbild ähneln, denen aber ein anderer Krankheitsmechanismus zu Grunde liegt, kommt die THS dagegen nicht in Frage. Das trifft vor allem beim Vorliegen folgender Kriterien zu (Tab. 2):
- Anamnestische, klinische oder bildgebende Hinweise auf atypischesoder sekundäres Parkinsonsyndrom.
ODER
- Schwere PD-Symptomatik in der ON-Phase (i.e. ausgeprägte, axiale Symptome)
ODER
- Ausgeprägte kognitive Defizite
ODER
* Ausgenommen sind rein peripher bedingte Gangstörungen (z. B. Polyneuropathie).
Vor der Indikationsstellung für eine THS bei M. Parkinson sind die o.g. Kriterien und Maßgaben zu überprüfen. Ergänzend dazu kann ggf. eine neuropsychologische bzw. neuropsychiatrische Untersuchung durchgeführt werden. Wenn möglich soll bereits ein MR-Bildgebung vorliegen.
Bei den Dystonien handelt es sich um Bewegungsstörungen, die auf Funktionsstörungen im Bereich der Basalganglien im Gehirn zurückzuführen sind. Der Grund für diese Funktionsstörungen ist bis heute nicht genau bekannt. In Deutschland sind schätzungsweise ca. 160.000 Menschen an einer Dystonie erkrankt. Die Betroffenen leiden unter unwillkürlichen, krampfhaften Bewegungen, abnormen Haltungen oder Fehlstellungen von Körperteilen. Diese Fehlstellungen existieren in sehr unterschiedliche Formen und Ausprägungen. Es kann der ganze Körper (generalisierte Dystonie) oder nur einzelne Muskelgruppen (fokale oder segmentale Dystonie, z.B. Schiefhals) betroffen sein. Nicht nur die motorischen Funktionseinbußen und Schmerzen stellen ein Problem dar. Die Betroffen leiden häufig auch unter außerordentlichen Belastungen. Die Dystonie ist aber keine psychische, sondern eine organische Erkrankung, die bisher nicht heilbar ist. Fokale und segmentalen Dystonien können auf Botulinumtoxin-Therapie oder Medikamenten aus der Parkinson-Therapie ansprechen.
In besonders schweren Fällen, bei Medikamentenunverträglichkeiten oder unzureichendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie, stellt die Tiefe Hirnstimulation (THS) eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit dar. Entsprechend der AWMF-Leitlinie „Dystonie“ kann sie wegen der sehr eingeschränkten medikamentösen Behandlungsalternativen und der guten Wirksamkeit bei moderaten bis schweren primären segmentalen und generalisierten sowie zervikalen Dystonien empfohlen werden. Die operative Therapie soll in diesen Fällen frühzeitig erwogen werden, bevor orthopädische Folgeschäden aufgrund der abnormen Fehlhaltungen die möglichen Behandlungserfolge limitieren. Auch bei primären fokalen Dystonien, die unzureichend auf die Botulinumtoxintherapie ansprechen, scheint die THS eine wirksame Option darzustellen. Bei der Gruppe der sekundären Dystonien, denen unterschiedliche Krankheitsursachen zugrunde liegen, ist die Entscheidung im Einzelfall zu treffen: Für die tardiven Dystonien, die sollte bei unzureichender Wirkung der medikamentösen Therapie die Option einer Tiefen Hirnstimulation geprüft werden. Beruht eine sekundäre Dystonie auf einer neurodegenerativen Erkrankung (z.B. NBIA) oder einer strukturellen Hirnschädigung (z.B. infantiler Zerebralparese), kann eine THS im Einzelfall hilfreich sein.
Grundsätzlich wird die Entscheidung, ob ein Dystonie-Patient tatsächlich für die Tiefe Hirnstimulation in Frage kommt, in einem sorgfältigen Untersuchungsprogramm von spezialisierten neurologischen und neurochirurgischen Fachärzten gemeinsam in einem der Implantationszentren getroffen.
Tiefe Hirnstimulation (THS) zur Behandlung von Tremor (Zittern)
Übermäßiges Zittern ist eine der häufigsten neurologischen Störungen und wird im medizinischen Sprachgebrauch als Tremor bezeichnet. Zittern, also Tremor, stellt eine unwillkürliche, rhythmische und oszillierende Bewegung eines oder mehrerer Körperteile dar.
Ein Tremor wird zunächst nach klinischen Merkmalen wie Erkrankungsbeginn, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahmen, betroffenen Körperstellen, Aktivierungszustand (bei Ruhe oder bei Muskelaktivierung), der Frequenz und weiteren körperlichen Auffälligkeiten -falls vorhanden- eingeteilt. Darüber hinaus können weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Magnetresonanztomographie, apparative Tremoranalyse oder Blutuntersuchungen erforderlich sein, um den Tremor zu klassifizieren.
Zur Behandlung des Tremors existieren verschiedene Medikamente. Wenn diese zu keiner wesentlichen Besserung führen oder die Nebenwirkungen zu ausgeprägt sind und der Tremor zu alltagsrelevanten Einschränkungen oder sozialer Ausgrenzung führt, besteht prinzipiell die Möglichkeit zu einer Therapie mittels Tiefer Hirnstimulation.
Im Folgenden werden unterschiedliche Tremor-Erkrankungen und deren Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation dargestellt.
Essentieller Tremor
Der essentielle Tremor (ET) ist eine der häufigsten Ursachen von Tremor. Er kann in jedem Lebensabschnitt beginnen. Die Wahrscheinlichkeit an diesem Tremor zu erkranken nimmt mit fortschreitendem Lebensalter zu. Die genaue Ursache des essentiellen Tremors ist unbekannt. Der essentielle Tremor ist gekennzeichnet durch ein Zittern der Hände, welches sich beim Anheben der Arme zeigt. Der Tremor kann zusätzlich bei Armbewegungen oder in Ruhe sowie an weiteren Körperteilen wie Kopf, Beinen oder Stimmbändern auftreten. Sollten zusätzliche neurologische Symptome bestehen, die keiner weiteren Erkrankung zugeordnet werden können, wird von einem „essentiellen Tremor Plus“ gesprochen. Wenn eine Behinderung durch den Tremor auftritt, können Medikamente wie Betablocker oder Antikonvulsiva eine Besserung bewirken. Bei unzureichender Linderung stellt die Tiefe Hirnstimulation eine erfolgversprechende Therapieform dar. Über die Behandlung des essentiellen Tremors mit der Tiefen Hirnstimulation liegen Jahrzehnte lange Erfahrungen vor. Der essentielle Tremor der Hand lässt sich mit eingeschalteter Tiefer Hirnstimulation im Durchschnitt um ca. 80% reduzieren. Bei einer Operation an beiden Hirnseiten bessert sich der Tremor entsprechend an beiden Händen. Als häufigste Nebenwirkung durch die Behandlung finden sich eine leicht verwaschene Sprache und Koordinationsstörungen. Bei Vorliegen solcher Symptome versucht man durch Optimierung der Stimulationsparameter eine Verbesserung zu erreichen. Mit Ausschalten des Systems sind alle stimulationsbedingten Symptome reversibel.
Zu den möglichen Komplikationen der Operation und der Implantation des Systems zur Tiefen Hirnstimulation zählen Wundinfektionen und Kabelbrüche sowie in sehr seltenen Fällen Hirnblutungen.
Manche Patienten berichten nach Jahren einen Wirkverlust der THS. Dieser nachlassende Effekt ist wahrscheinlich zum überwiegenden Teil auf das Fortschreiten des essentiellen Tremors zurückzuführen. Eine kurze Pause der Therapie legt in solchen Fällen den tatsächlichen Krankheitsverlauf offen.
Insgesamt ist die Behandlung des essentiellen Tremors mit der Tiefen Hirnstimulation sehr effektiv. Aufgrund des oben beschriebenen Risikoprofils sollte Indikationsstellung auf den individuellen Patienten abgestimmt werden.
Tremor beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (M. Parkinson). Behandlungsmöglichkeiten und die Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation dieses Tremors werden in einem separaten Kapitel besprochen.
Dystoner Tremor
Eine Dystonie ist eine neurologische Störung, bei der es zu Muskelanspannung kommt, die zu abnormalen Bewegungen und Haltungen von Körperteilen wie Gesicht, Hals oder Arm führt. Die Behandlung der Dystonie mit der Tiefen Hirnstimulation wird in einem separaten Kapitel geschildert. Im Rahmen einer Dystonie kann auch ein Tremor auftreten, der dann als dystoner Tremor bezeichnet wird. Diese Tremor-Komponente, zum Beispiel ein Kopftremor bei einer Dystonie der Halsmuskulatur, kann für die betroffenen Patienten behindernder sein als die eigentliche Dystonie. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten des dystonen Tremors bestehen aus Injektionen von Botulinumtoxin in betroffene Muskulatur und der medikamentösen Behandlung (Anticholinergika oder Benzodiazepine). Bei mangelnder Wirkung und manifestier Behinderung oder Stigmatisierung kann die Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation in Betracht gezogen werden. Als Zielpunkte für die Tiefe Hirnstimulation bei einem dystonen Tremor der Halsmuskulatur wird entweder der motorische Thalamus oder das interne Pallidum verwendet. Auch eine Kombination der Zielpunkte ist möglich. Die Besserung dystonen Halstremors kann bis zu 70% in den ersten Jahren betragen. Über die Ergebnisse im längerfristigen Verlauf liegen nur begrenzt Daten vor. Sollten Patienten nur mit einer Tiefen Hirnstimulation in einem Zielpunkt versorgt worden sein und es über die Jahre zu einer Zunahme der Dystonie kommen, ist die zusätzliche Behandlung mit einem alternativen Zielpunkt denkbar. Die häufigsten Nebenwirkungen der Tiefen Hirnstimulation bei Patient*innen mit dystonem Tremor der Halsmuskulatur sind eine klossige Sprache bei ca. einem Drittel sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen bei ca. einem Fünftel dieser Patienten. Stimulationsbedingte Nebenwirkungen können durch Anpassung der Programmierung gelindert werden und verschwinden bei Ausschalten des Gerätes.
Die Entscheidung zur Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation ist eine Einzelfallentscheidung und erfordert das sorgsame Abwägen von der Behinderung der Patient*innen durch den dystonen Tremor, Risiken und Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation und der medikamentösen Behandlungsoptionen.
Tremor bei Multipler Sklerose
Der Tremor, der im Rahmen einer Multiplen Sklerose (MS) auftritt, ist ein Halte-, Bewegungs- und Intentionstremor, der Kopf, Stimme, Arme, Beine und den Rumpf betreffen kann. Die medikamentöse Therapie (wie zum Beispiel Betablocker, Antikonvulsiva, Benzodiazepine) des Tremors im Rahmen einer Multiplen Sklerose gilt als schwierig, bzw. eingeschränkt wirksam. Zu den Ergebnissen der Behandlung mit Tiefer Hirnstimulation liegt eine Reihe von Berichten vor. Als Zielpunkt diente die Region des motorischen Thalamus. Zumeist wurden die Patienten mit einer einseitigen Tiefen Hirnstimulation versorgt. Nach einjähriger Behandlungsdauer wurde eine ca. 50 prozentige Besserung des Hand-/Armtremors beobachtet. Die längerfristigen Erfolgsaussichten sind abhängig vom Fortschreiten der Grunderkrankung. Nebenwirkungen der Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation treten bei bis zu 55% dieser Patienten auf. Mit einer Verbesserung von Symptomen wie Koordinationsstörungen (Ataxie) oder Spastik durch die Tiefe Hirnstimulation ist nicht zu rechnen. Verschlechterungen sind möglich.
Die Entscheidung zur Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation ist eine Einzelfallentscheidung und erfordert das sorgsame Abwägen von der Behinderung der Patienten durch den Tremor bei Multipler Sklerose, Risiken und Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation und der medikamentösen Behandlungsoptionen.
Orthostatischer Tremor
Der orthostatische Tremor ist eine seltene Tremor-Erkrankung, die vor allem durch einen Tremor mit einer Frequenz von 13 bis 18 Hz beim Stehen gekennzeichnet ist. Die betroffenen Patienten haben häufig zusätzlich eine Standunsicherheit mit Fallneigung. Zur medikamentösen Behandlung werden meist Gabapentin und Clonazepam eingesetzt. Es liegen zurzeit nur Einzelberichte und kleine Fallserien von Patienten mit orthostatischem Tremor vor, die mit Tiefer Hirnstimulation behandelt wurden. Zielpunkt für die Tiefe Hirnstimulation war entweder der motorische Thalamus oder die direkt darunter befindliche subthalamische Region.
In diesen ersten Berichten führte die Tiefe Hirnstimulation zum einen zu einer Verlängerung der Zeitspanne zwischen Aufstehen und Einsetzen des Tremors. Zum anderen besserte sich die Standsicherheit. Über die Nebenwirkungen ist Aufgrund der kleinen Fallzahl von Patienten nur wenig bekannt. Auch gibt es gegenwärtig über die Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation beim orthostatischen Tremors im Langzeitverlauf nach der Operation keine eindeutige Datenlage.
Die Entscheidung zur Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation ist eine Einzelfallentscheidung und erfordert das sorgsame Abwägen von Behinderung der Patienten durch den orthostatischen Tremor, Risiken und Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation und der medikamentösen Behandlungsoptionen.
Holmes-Tremor
Dieses Tremor-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein Zittern in Ruhe, beim Halten und bei Zielbewegungen von Armen, Beinen oder dem Kopf mit einem langsamen Rhythmus. Die häufigsten Ursachen des Holmes Tremors sind Hirnläsionen wie z.B. Infarkte, Blutungen oder schwere Gehirnerschütterungen. Die Hirnschädigungen finden sich in unterschiedlichen Hirnarealen, wie z.B. Hirnstamm und Thalamus, aber auch im Bereich der Hirnrinde. Zur Behandlung des Holmes Tremors werden häufig zunächst Medikamente wie Levetiracetam, Trihexyphenidyl und Levodopa eingesetzt. Sollten diese keine Besserung erwirken, kann eine Kombinationsbehandlung aus diesen Medikamenten oder weitere Medikamente wie zum Beispiel Clonazepam, Amantadin, Biperiden oder Injektionen mit Botulinumtoxin in die vom Tremor betroffenen Muskeln erwogen werden. Letztlich bleibt die medikamentöse Behandlung schwierig.
Gegenwärtig liegen nur Einzelfallberichte und kleine Fallserien zur Tiefen Hirnstimulation über Patienten mit Holmes Tremor vor. Als Zielpunkte mit positivem Effekt wurden der Globus pallidus internus und die Region des motorischen Thalamus verwendet. Berichtet wurden Verbesserungen von bis zu 70%, allerdings auch Fälle, in denen keine Verbesserung erzielt werden konnte.
Des Weiteren scheint der Behandlungseffekt bei einer Reihe von Patienten nach 2-3 Jahren nachzulassen. Die Entscheidung zur Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation ist deshalb eine Einzelfallentscheidung und erfordert das sorgsame Abwägen von Behinderung des Patienten durch den Holmes-Tremor, Risiken und Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation und der medikamentösen Behandlungsoptionen.
Bei der Epilepsie handelt es sich um eine Erkrankung, deren charakterisierendes Krankheitssymptom plötzlich auftretende, in der Regel selbstlimitierende und nicht länger als fünf Minuten anhaltende, Gefühls-, Verhaltens- oder Bewegungsveränderungen („epileptische Anfälle“) sind. Diese Anfälle können sich auf unterschiedliche Art und Weise manifestieren und gehen meist mit einer Bewusstseinsstörung einher. Diese können zu weitreichenden Auswirkungen für den Betroffenen führen (z.B. Verletzungen, Fahrverbot oder berufliche Einschränkungen). Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, deren Häufigkeit auf ca. fünf bis zehn pro tausend Einwohner geschätzt wird und die somit ca. siebenmal häufiger als z.B. die Parkinson-Erkrankung auftritt.
Ca. zwei Drittel aller an einer Epilepsie Erkrankten sind gut mit Medikamenten behandelbar. Das andere Drittel dieser Patienten ist „pharmakoresistent“. „Pharmakoresistent“ bedeutet, dass mit einem oder mehreren richtig ausgewählten, angemessen dosierten und beschwerdefrei vertragenen Medikamenten keine Anfallsfreiheit erreicht werden konnte. Grundsätzlich lassen sich alle Epilepsien in zwei Gruppen unterscheiden:
- genetisch generalisierte Epilepsien (früherer Begriff „idiopathisch generalisierte Epilepsie“) – ohne erkennbar lokalisierten Anfallsursprung
- fokale Epilepsien- der Anfallsursprung ist einer Hirnregion zu zuordnen.
Alle pharmakoresistenten fokalen Epilepsien sind grundsätzlich mittels der tiefen Hirnstimulation behandelbar. Im Gegensatz dazu besteht bei genetisch generalisierten Epilepsien nach aktuellem Wissensstand keine Indikation für die Tiefe Hirnstimulation.
Seit 2010 ist die Tiefe Hirnstimulation mit dem Zielpunkt anteriorer Thalamus (ANT)in Deutschland für fokale Epilepsie zugelassen. Andere, ebenfalls in spezialisierten Zentren zur Anwendung kommende Zielpunkte sind der zentromediale Thalamus und der Nucleus accumbens (S1-AWMF-Leitlinie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter“ 2017). Für die letzten beiden Zielpunkte gibt es allerdings keine ausreichenden klinischen Daten, die eine Indikation per se rechtfertigen. Einzig der Zielpunkt „anteriorer Thalamus“ kann durch eine ausreichende Studienlage belegt werden. Dies ist der Grund, warum der anteriore Thalamus zurzeit der einzige zugelassene Zielpunkt für die Tiefe-Hirnstimulation bei Epilepsien darstellt.
Die bisherigen Ergebnisse weisen direkt oder indirekt darauf hin, dass
- besonders Anfälle mit Bewusstseinsstörungen und Epilepsie, die aus den Schläfenlappen kommen, von der tiefen Hirnstimulation des ANT profitieren
- bei den in üblicherweise angewandten Stimulationsparametern möglicherweise Schlafstörungen und kognitive Nebenwirkungen auftreten. Es besteht allerdings die Möglichkeit diese Nebenwirkungen – analog zu einer medikamentösen Therapie – durch eine fachärztliche Anpassung der Stimulationsparameter positiv zu beeinflussen.
- die korrekte Zielpunktfindung (und somit der therapeutische Erfolg) von der Erfahrung des Operateurs abhängig ist.
- ca. 30-50 % der Patienten profitieren (damit ist eine Verminderung der Anfälle um mindestens 50 % gemeint) aber in der Regel keine Anfallsfreiheit erreicht werden kann.
Aus diesem Grund ist eine Behandlung in spezialisierten Zentren zu empfehlen, die eine entsprechende Erfahrung im Umgang mit der Therapie verfügen.
Wie für alle Neurostimulationsverfahren bei Epilepsie gilt auch bei der tiefen Hirnstimulation, dass die Wirkung erst nach einer längeren Stimulationszeit auftreten kann (minimal drei Monate) und sich mit der Stimulationsdauer verstärken kann.
Grundsätzlich ist die genaue Funktionsweise der tiefen Hirnstimulation noch nicht ausreichend verstanden. Man geht davon aus, dass die Zielpunkte jeweils besondere „Relais“ (Schaltzentren) darstellen, die eine wesentliche Rolle in der Weiterleitung und damit der klinischen Ausprägung von epileptischen Anfällen haben.
Das operative Verfahren ist mit dem Vorgehen bei der Tiefen Hirnstimulation für Bewegungsstörungen vergleichbar. Die Operationen werden aber grundsätzlich in Vollnarkose durchgeführt. Ebenso sind die verwendeten Implantate technisch weitgehend identisch.
Jeder Patient, der unter einer pharmakoresistenen Epilepsie leidet, sollte einem Epilepsiezentrum vorgestellt werden, um die Art der Epilepsie festzustellen. Dann kann beurteilt werden, ob ein potenziell kuratives Verfahren (Resektion/Ablation) möglich ist oder eine Therapie mittels Tiefer Hirnstimulation in Frage kommt.
Für alle Patienten, die unter einer fokalen pharmakoresistenten Epilepsie leiden und keine resektive Behandlung (mikrochirurgische Operation) wünschen bzw. für eine solche Operation nicht in Frage kommen, stellt die Tiefe Hirnstimulation eine alternative Behandlungsmöglichkeit dar.
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Arbeitsgemeinschaft Tiefe Hirnstimulation
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